Seltene Überraschung: Hermès Paddock Review

Als „Cuir Aromatique“ beschrieb ihn mir die Hermès Mitarbeiterin im Pariser Stammhaus auf der 24, rue du Faubourg Saint-Honoré vor einigen Wochen nur kurz.

Ich habe den Duft nur einmal direkt dort im Geschäft auf der Haut testen können, bin damit den Tag lang durch Paris geschlendert…und habe zumindest auch den üppig besprühten Duftstreifen in meinem Sakko mehrere Tage aufbewahrt…soweit, die Haltbarkeit ist ganz hervorragend.

Der Duft ist es aber für mich, im Gegensatz zu dem von Paddock begeisterten Blogger „Persolaise“ auf Youtube (der einzige den ich sehr gerne mal sehe), nicht ganz.

Ich nehme animalisches Leder wahr, mit leider leicht oudigen (für mich synthetischen) Facetten unterlegt. Es erscheint mir wie eine kombinierte Melange traditioneller und moderner Ledernoten. Die Animalität spielt natürlich mit der Idee verschwitzter Reitpferde, auch die grundsätzliche Idee mit Möhren und Heu, einer Atmosphäre von Stall und Pferd.
Der Duftcharakter wandelt sich nicht stark. 
Zur Ledernote addieren sich Noten von Heu und Möhrensamen, es ist etwas sperrig, trocken, fast rau und staubig, warm, würzig & holzig. Eine herb grüne und nahezu kratzige Facette fügt sich mit ein, etwas wie Veilchenblatt…was ich nicht besonders mag…aber gerne mal mit Leder kombiniert wird. Amber scheint dem Duft die rund warme Atmosphäre zu geben. Der Duft bleibt immer trocken und herb, wird nie süß, das ist gut. 

Paddock war mir persönlich aber insgesamt zu intensiv, starr, dicht und kompakt, mir fehlte ein Lufthauch. 
Das geht mir auch mit Bel Ami so…irgendwie schwingt in Paddock ein Funken Bel Ami mit…es ist ein Hermès. Ich war eh immer eher der Seventies Equipage Typ.

Die suggerieren den fröhlichen Farben, gelb, orange, rot und beige entsprachen nicht meinem Dufteindruck, den ich eher mit braun, olivgrün, dunkelgrau & etwas beige beschreiben würde.

Natürlich liegt bei einem Hermès Duft, der anlässlich des jährlich wiederkehrenden Hermès Reitsportevents „Saut Hermès“ im Grand Palais lanciert wurde, ein Lederduft nahe. Aber ich war nicht restlos überzeugt. Nach Violette Volynka (sehr schön, aber nicht neues) und Oud Alezan (Leder, Oud, Rose…nöööö) nun ein weiterer Lederduft von Hermès, der mir irgendwie bekannt vorkam, trotzdem etwas neues und einzigartiges darstellt, der mir mit seiner grün, herb und etwas sperrigen Art eigentlich hätte gefallen müssen, blieb eine richtige Begeisterung aus. Immerhin hätte ich ihn kaufen können, denn er ist/war streng limitiert. Ich war vier Tage in Paris, also war der Druck da: „Jetzt oder nie.“

Nach den mir gegebenen Informationen ist/war Paddock nur für insgesamt sechs Wochen exklusiv nur in drei Pariser Hermès Boutiquen direkt erhältlich…ab wann, bis wann, ich weiß es leider nicht.
Er erscheint im regulären Hermessence „Outfit“ mit 100 ml für 285,00 EUR. Das Etikett ist zweifelsohne witzig & ideenreich, aber bei mir entstand der Eindruck, als hätte man das Design des Etiketts vergessen und sich erst in letzter Sekunde hierzu entschieden.

Hermès überrascht Menschen immer wieder mal mit limitierten und nicht wirklich publizierten Editionen wie z.B. Eau de Ginza, welches zur Eröffnung der grandiosen von Renzo Piano komplett aus Glasbausteinen entworfenen Hermès Boutique in Tokyo erschienen war. 
Oder auch das ausschließlich für die Hermès Geschäfte an der Côte d’Azur in 2013 lancierte Voyage (nicht zu verwechseln mit dem regulären Voyage…), eine Variante von Calèche, bei der die Formel mit einer Ernte von Mimosen variiert wurde…der war gut! 

Ich habe Paddock nicht gekauft, das „aber“ überwog und mein Schrank ist auch zu voll.

Harry Lehmann Parfum Berlin…back for good!

Nach dem Schließen des Harry Lehmann Geschäfts in 2022 und dem Tod des letzten Inhabers Lutz Lehmann, kann die Fangemeinde nun bereits seit letztem November ihre Düfte schon wieder online bestellen.

Seit kurzem kann man nun auch endlich wieder die tollen Düfte direkt im Geschäft auf der Kantstr. 106 in Berlin Charlottenburg testen, sich nach den alten Möglichkeiten selbst mischen lassen und natürlich auch mitnehmen.

Harry Lehmann 28.03.2024

Die zwei Berliner Jannis Lucian Groh und Vianney Lancres von Hoefe.Berlin haben, zusammen mit Nicolas Chabot von Le Galion/Æther/Headspace aus Frankreich, diese Berliner Institution ins 21. Jahrhundert geführt und…meiner Meinung nach, der Marke mit ihrem wunderbar und liebevoll renovierten Geschäft nun den Glanz gegeben, den es verdient.

Es ist Berlin, eine coole Location mit dem liebenswert rustikalem Charme, lässig, retro, entspannt, smart, modern und chic, unkompliziert und jung…natürlich darf eine gepolsterte Sitzbank am Fenster zum kurzen Verweilen und Entscheiden nicht fehlen. Alle Einrichtungsgegenstände waren bereits vorhanden und wurden in den Kellern gefunden und liebevoll repariert und restauriert. Die originalen industriellen Leuchtstoffröhrenlampen an der Decke dürfen natürlich auch nicht fehlen. Super cool!

Über 70 Düfte sind wieder im Portfolio vorhanden und können entdeckt werden.

Ich habe mich erstmal für meine bisherigen Favoriten Vamos und Reseda entschieden.

Vamos ist die Lehmannsche Antwort auf Düfte wie Aramis, Cabochard oder natürlich auch Lauders Azurée…hier ab an die karge spanische Küste zum Entdecken des trocken mineralischen Leders mit etwas verhaltener Blüte, Holz & Moos.

Reseda ist die rustikale Berliner Antwort auf den Pariser Chic der Siebziger Jahre. Offenbar scheint Chanel No. 19 Pate gestanden zu haben. Bitteres Galbanumgrün, herbes Moos, Hölzer & schlanke Blüten passen im Heute perfekt zum Retrochic Berlins.

Durch ihren eigenen Charme und Charakter schaffen es die Düfte, frei von der Idee eines Plagiats oder Kopie zu bleiben. Es ist vermutlich die etwas unpolierte Art der Formel, die den Düften ihren eigenen Charakter verleiht.

Reseda & Vamos

Natürlich konnte ich nicht auf einmal alle Düfte entdecken.

Wer aber dem Charme der Zwanzigerjahre verfallen ist, sollte unbedingt Habanera testen, für Blütenfans empfehle ich das sommerlich frische Neroli, den herrlich dreckig indolischen Jasmin, die stark würzige Nelke oder natürlich auch Marlenes (ja, die…!) Veilchen….ich geh‘ natürlich wieder hin.

#LondonCalling: Evernia @ Ormonde Jayne

Evernia, das lateinische Wort für #Eichenmoos. Mein erster Duft der Marke Ormonde Jayne.

Als großer Freund klassischer und retro/vintage Düfte, allen voran Eichenmoos geladene Chypredüfte (wie Guerlains Mitsouko etc…), interessiert mich natürlich unbedingt ein Duft, der DEN Namen Eichenmoos trägt, der große aufgrund von starken Allergenen hervorrufenden nahezu komplett verbannte Inhaltsstoff…diese kleine hellgrüne Baumflechte.

Der Duft wurde kreiert von Parfumeur Geza Schön, der vermutlich vor allem für seine eigene Marke Escentric Molecules und die doch eher offensichtlich und großzügige Verwendung synthetischer Inhaltsstoffe bekannt ist. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich kein Freund davon bin, aber hier gebe ich wirklich gerne zu, dass das für mich geglückt ist.
Vermutlich wurden hier für den duftbestimmenden Charakter große Mengen eines synthetischen Sandelholz Ersatzes (Bacdanol?) für die holzig, cremig und warme Facette, und Evernyl (der synthetische Ersatz für Eichenmoos) für den nass waldig, grünen Erdbodencharakter verwendet.
Dazwischen findet man einen kleinen frischen Fruchthauch, etwas Würze und einen schlanken Blütenmix von Rose, Iris, Freesie und Jasmin.

Das Resultat ist ein sehr zeitgemäßer und moderner unisex Duft, der nur verhalten mit der Idee der Vergangenheit spielt und vor allem im Alltag eine hervorragend stilvolle Figur macht.

Ich finde ihn wunderbar…auch die schlichten klassisch schweren Glasflaschen und die wertig schweren Metalldeckel waren eh schon immer mein Ding.

Review: Eau d‘Hermès… von der Kunst, gleichzeitig dreckig & sauber zu sein.

Eau d‘Hermès war das erste Parfum der Marke Hermès in 1951, kreiert von Parfumeurs Legende Edmond Roudnitska, und soll den Geruch des Inneren einer Hermès Handtasche wiedergeben, in dem sich der Duft eines Parfums verteilt hat. Wenn man das Internet durchforstet, findet man durchaus Quellen, dass der Duft gleich 1946 nach dem Zweiten Weltkrieg bereits entstanden sein könnte.

Aus heutiger Sicht ist Eau d‘Hermès ein wohl eher herausfordernder Duft.
Die Zitrusfrische erinnert mich mit Ihrer Echtheit an Diors Eau Fraîche von 1953, einst eine zunächst persönliche Auftragsarbeit von Christian Dior an Edmond Roudnitska, der „in Italien unter einem Zitronenbaum sitzen wollte,“ der sanft warme Lederakkord hingegen lässt sich mit seiner aristokratischen Noblesse für mich wie ein Echo an Chanels Cuir de Russie verstehen…ein großer Korb Zitronen, den man auf den ledernen Rücksitzen seines alten Bentley in der Sonne gerade hat stehen lassen.

Die Herausforderung selbst liegt jedoch in der Mitte. Fäkales Zibetkatzensekret & schweißig wirkendes Cumin (Keuzkümmel) geben mit Kardamom und Zimt einen recht unverhohlenen körperlichen Twist, den man überstehen muss, um den Duft in seiner Summe zu verstehen. Auch hier zitiert Edmond Roudnitska sich selbst, erinnert die Cuminnote doch sehr an sein Femme von Rochas von 1944…ein sonnig würziges Chypre im Mitsoukostil mit Pflaume statt Pfirsich.
Denn tatsächlich trägt die Körperlichkeit der Gewürze dazu bei, dass der Duft hervorragend mit der Haut verschmilzt und sich auch eher selbst wie eine zweite Haut trägt.
Das Ergebnis ist überelegant, nobel, sehr sinnlich und dabei frisch und klar. Eine perfekte Balance zwischen dreckig & sauber.

Der ehemalige Hausparfumeur von Hermès, Jean-Claude Ellena sagt, dass er selbst nie Parfum trägt, aber wenn, dann Eau d‘Hermès. Als ehemaliger Schüler Edmond Roudnitskas (einer der wenigen) eine perfekte Hommage an seinen ehemaligen Lehrer.

Headspace Absinthe – Moderne!

Die Marke Headspace Parfums wurde letztes Jahr von Nicolas Chabot, dem Inhaber einer meiner liebsten Marken – Le Galion – (und Æther) auf Mailands Esxence Messe 2022 neu lanciert…und schon alleine wegen der Flakons war ich sofort begeistert!

Mit der Headspace Technologie, einer Erfindung aus den Siebziger Jahren, können Gerüche aller Art eingefangen und analysiert werden. So war es möglich, nicht nur die destillierten Blütenöle selbst zu verwenden, sondern auch anhand der Analyse des Duftes einer Blüte, einer Pflanze, eines Raumes etc. dann im Labor nachzubilden.

Mit dem Duft Absinthe, vom Parfumeur Nicolas Beaulieu, soll eine leidenschaftliche Nacht im Club nachgebildet werden…die Verrückheit des Absinths – seiner berüchtigten Vergangenheit – mit seinen anisig, bitter, grün, frisch und lebhaften Facetten, hier kombiniert mit dem Duft von körperlich dunklem, aber auch soften Leder, einem kleinen erdigen Patchoulischatten, einer deutlichen Spur würzigem Veilchenblattgrüns und einem floralen Hauch von leidenschaftlichen Narzissen. Für luftige Klarheit wird alles durch einen synthetischen Ozonakkord zum Fliegen gebracht. Das Ergebnis ist ein zeitgemäß moderner Duft für alle Gelegenheiten, von Büro bis Nachtleben und einer für mich ordentlich ausreichenden Haltbarkeit.

Das Beste zum Schluss: Die großartigen Flakons mit Magnetdeckel sind eine originalgetreue Vergrößerung klassischer Laborflaschen der Parfümerie, die eigentlich nur 2-4 ml fassen. Entworfen von Jules Dinand, dem talentierten Sohn der Parfumflakonlegende Pierre Dinand (Opium, Poison, Eternity, Azzaro, Eternity…).

Die Marke umfasst derzeit insgesamt sieben Düfte, ein weiterer wird folgen, ich konnte ihn schon testen (Teaseralarm…Leder…). Absinthe, Sauge & Genièvre sind meine drei persönlichen Favoriten.

Coole Nuss: Vetiver Gris von Jacques Fath

Vetiver Gris gefiel mir vom ersten Moment an, als ich ihn letzten Juni bei der Esxence Messe im 36 Grad heißen Mailand testen konnte. Das offizielle Video der Marke Jacques Fath verrät u.a., dass die Kreativdirektorin der Marke Jacques Fath, Rania Naim, Jean-Christophe Hérault als Parfumeur zunächst ablehnte…nachdem er sich selbst bei ihr für eine Zusammenarbeit vorstellte. Als ein bei IFF Angestellter Parfumeur sei er nicht unabhängig, und sie bevorzugt die Arbeit mit unabhängigen Parfumeuren.
War er doch selbst von der Marke Jacques Fath, vor allem vom Iris Gris Relaunch „L’iris de Fath,“ der Maelstrom Parfumeure Patrice Revillard und Yohan Carvi, stark beeindruckt gewesen, die auch unlängst an einer erreichbareren Eau de Parfum Version gearbeitet haben, die bald erscheinen wird.

Aber wieso Vetiver Gris, wieso grau? Wegen der Iris, dem Bezug zur Marke? Gris, Green…? Klar, auch. Für mich aber vor allem deshalb, weil den ganzen Duft eine klare und transparente Zeitlosigkeit wie Klassizismus durchzieht.

Vetiver Gris ist clever durchdacht, werden hier einzelne Rohstoffe aus unterschiedlichen Ecken miteinander verwoben und verbunden.
Hat doch vor allem Java Vetiver eine stark nussige Facette, funktioniert hier der Trick die nussige Facette des Vetivers mit der kulinarisch süßlich gourmandigen Facette von Haselnüssen zu verbinden. Tatsächlich wird wohl Etyl Maltol dafür verantwortlich sein, die Süße erinnert schon eher an Karamell und an die Süße braunen Zuckers. Das Spiel setzt sich fort mit der Kombination der Erdigkeit des Vetiver und der trocken elegant geraden Erdigkeit der hier puderfreien Iriswurzel. Die grüne Facette des Vetiver wird um den Akkord knackig grüner unreifer Haselnüsse erweitert und die klassische Eleganz des bitter grünes Galbanumharzes mag sich sich fast unbemerkt verbindend zwischen den Facetten des Vetivers einfügen. Vermutlich dank der hochmodernen und klaren Destillation der Laboratoires Monique Remy (LMR) ist Vetiver Gris nahezu komplett rauchfrei.

Dieses Spiel aus gourmandig süßlich & holziger Erdigkeit findet sich aber überraschenderweise wieder in einem wunderbar transparent, klaren & optimistischem Kontext.
Neroli mit seinem floral weichen und leicht seifigen Facetten schafft die Verbindung zum Green Water der eigenen Marke…offenbart auch den in dem Video beschriebenen Eau de Cologne Eindruck…und mit Eaux de Cologne kriegt man mich eh immer. Passend unterstützt von minzig grün floraler Rosengeranie, um die Klassik zu verstärken…oder eben beizubehalten. Der lebhafte Charakter diverser Hesperiden, Bergamotten, Mandarinen…welcher Art auch immer sind von Anfang an mit dabei, um zu bleiben. Damit hätte ich die offiziell angegebene Pyramide insgesamt ganz gut abgehakt. 

Was mir in dem Duft als Resultat so gefällt ist – wie bereits erwähnt – die durchgehend frisch transparente Klarheit, das urban gerade „grau,“ aber voller Licht und Helligkeit, nie beschwerend. Es bleibt die Aura klassischer Neroli Eaux de Cologne bestehen. Die grün trocken holzige Erde des Trio Vetiver, Iris & Galbanum sitzt sicher in der Mitte, aber ohne Dominanz, eher wie abgeklärt lächelnd. Die gourmandige Facette ist trotz eindeutiger Zuckersüße frei von all den Klischees, die mich persönlich sofort dazu bewegen würde, den Duft sofort weit weg zu stellen. Das addiert hier eher jungen Witz. Ein paar moderne Aromachemikalien…wie auch immer sie heißen mögen…werden dem Duft unterstützend verhelfen, den notwendig zeitgemäßen Touch zu geben, ohne ihn in banale Belanglosigkeit abdriften zu lassen.

Vetiver Gris erinnert mich auch an zwei Frédéric Malle Düfte, ob wohl die ganz klar anders riechen. Die grünminzig weiche Frische von Geranium pour Monsieur und die kühl grünen Hölzer von Vétiver Extraordinaire, ich weiß, große Worte…passenderweise werden dort aber auch LMR Destillationen verwendet. Es mag die fast architektonisch geradlinige Ausführung der Düfte sein, die sie verbindet. Die zeitlos moderne Klassik des Klassizismus.

Man kann den Duft als unisex bezeichnen, er dürfte aber aufgrund des Charakters vermutlich mehr Männer ansprechen. Haltbarkeit und Projektion sind gut. Aber eh ein Thema, dass permanent leidlich viel zu häufig diskutiert wird. Wie Jean-Claude Ellena sagte: „Es hat nichts mit Schönheit zu tun.“ Und schön ist Vetiver Gris auf jeden Fall, und nicht nur ein toller Begleiter für den kommenden Frühling!

Lange ersehnt: Hermès Eau de Basilic Pourpre

Es ist doch immer so: Wenn man die angegebenen Duftnoten liest, bekommt man meist etwas anderes als erwartet. Im Fall von Eau de Basilic Pourpre habe ich einen bittergrün krautigen Duft erwartet, dessen Charakter von Geranium, Patchouli und Gewürzen natürlich noch weiter getragen wird. Das meine Erwartungen an einen retroesken siebziger Jahre Duft natürlich nicht erfüllt werden war mir klar, deshalb fragte ich mich, wo in den offiziell angegebenen Inhaltsstoffen die benötigte zeitgemäße Kehrtwende zu entdecken sei.

Eau de Basilic Pourpre startet wunderbar saftig, kühl und zitrusgrün mit leicht bitterem basilikumgrün und der knackig kühlen Zitrusfrische von Bergamotten. Der Eindruck von Basilikum verschwindet leider zu schnell und eine ätherisch süßlich kühl grüne minzartige Frische bettet sich dauerhaft mit ein. Verantwortlich wird hier wahrscheinlich das Geranium sein, dessen rustikal krautig grüne Aura der Essenz selbst jedoch unter dem Charakter eines wie „marokkanisch gesüßten Minztees“ komplett verdeckt bleibt. Basilikum als namensgebenden und bestimmenden Duftcharakter vermisse ich hier jetzt schon, oder sollte purpurfarbenes Basilikum so anders riechen? Vor allem auf dem Papier bleibt der Duft kaugummiminzige Dufteindruck lange erhalten. Auf der Haut hingegen wird der Duft weicher und verschwimmt schnell in einer leichten Basis aus sanft weichem Moschus, der aber glücklicherweise weder zu cremig oder zu pudrig wird. Mit dem nicht angegebenen weißen Moschus entdecke ich aber den bisher vermissten aktuellen Zeitgeschmack an dem vor allem, glaube ich, Freunde von Eau de Rhubarbe Écarlate Gefallen finden werden. Patchouli mag etwas Erde beisteuern, bleibt aber von allen dunklen Facetten befreit. Gewürze nehme ich nicht wahr. Auf meiner Haut bricht der Duft zu schnell mit seiner wunderbaren grünen Klarheit in dem weißen Moschus zusammen.

Der gesamte Dufteindruck lässt sich als kühl grün und klar, sanft, weich und jung und mit leichter Süße beschreiben. Weit gefasst könnte man denken, dass Eau de Rhubarbe Écarlate als Grundstruktur fungierte, um daraus etwas anderes, aber familiäres zu kreieren.

Was mir an dem Duft fehlt, ist eine kleine bittere Kante, die dem Duft Spannung gibt, er erscheint mir zu gefällig, leicht verständlich und zu wenig raffiniert. Ein längeres Durchhalten der klar grünen Knackigkeit würde vielleicht auch schon helfen. Unabhängig von meiner Vorliebe für herbe, bittere oder unsüße Düfte nehme ich aber auch eine Bitterkeit in Sommerdüften als angenehmer wahr als eine Süße, die mir bei 30° Außentemperatur einen Strich durch die Erfrischung machen würde.

Wenn ich einen Duft dem Namen „Basilikum“ gebe, erwarte ich zumindest irgendwo die Prise einer bitteren Ecke, einen Funken aromatische Erdballen Dreckigkeit, zudem Parfumeurin Christine Nagel als Ausgangsidee stimmungsvolle und zwanglose Familienfeierlichkeiten eines mediterranen Sommergartens heraufbeschwören wollte. Zweifelsohne ist der Duft zwanglos, verständlich, wird vielen gefallen und mit dem weißen Moschus begeben wir uns auch gleich wieder in die „saubere“ weiße Küche, aber dem Duft fehlt die Eleganz, den „chic français,“ den ich von Hermès erwarte, bzw. gerne weiter erwarten würde.

Christine Nagel ist natürlich nicht Jean-Claude Ellena. Rückblickend betrachtet gefallen mir seine Düfte immer mehr. Sie sind schlicht, einfach, leicht tragbar und werden der „understated“ aristokratischen Eleganz – der auf den Punkt gebrachten raffinierten Schlichtheit der Dinge der Marke Hermès – gerecht…und auch der etwas verklärten Marketingstrategie, einzelne Produkte im Überfluss und andere fast gar nicht zu fertigen, vermutlich um Begehrlichkeiten zu wecken.

Den Ellena Düften haftet etwas an (ja, ich weiß, er ist ja schon paar Jahre weg…), was man manchmal länger studieren muss um es zu verstehen, sind manchmal verkopft, das mag ich.

Rumgeeken im Parfumkosmos, um den Code des Duftes (oder irgendeines Hermès Artikels) und oder auch den Code für sich selbst zu knacken….so wie man auch die unverständliche Geldausgabe für einen sehr einfachen Hermès Artikel „verstehen“ muss…also zumindest geht das mir so.

Das liefert Christine Nagel nicht. Sie ist moderner, einfacher, jünger, klarer, direkter und näher dran „am Volk,“ am aktuellen Zeitgeschmack. Ihre Düfte finden im Zweifel schneller Gefallen, wahrscheinlich auch bei einer breiteren Masse und das ist natürlich berechtigt, denn schließlich will die Firma Geld verdienen. Mir persönlich liegt das wahrscheinlich einfach nicht so, das ist aber auch nicht schlimm, denn ihre Düfte riechen trotzdem gut. Man ist damit gut und anständig parfümiert. Vor allem das letzte Terre d‘Hermès Eau Givrée finde ich sehr gelungen, Twilly Ginger hingegen ist schon arg süß geworden. Da mein Schrank schon voll genug ist, brauche ich Eau de Basilic Pourpre im Moment nicht unbedingt. Aber fragt mich mal ein paar Jahren nochmal, vielleicht sehe ich die Arbeiten von Frau Nagel dann auch anders.

Le Galion Preview für die Esxence 2022 in Mailand

Le Galion präsentiert auf der Esxence 2022 die überarbeitete Version des legendären Eau Noble von 1972 und zudem die erneut überarbeiteten Formeln für die Düfte Sortilège, Vetyver, Sovereign & Whip.

Hier sind meine ersten Impressionen.

Für mich natürlich aufregend, weil Eau Noble (2014) einer meiner liebsten Düfte der letzten zehn Jahre ist.

Die brandneue Version 2022, kreiert von Rodrigo Flores-Roux in Zusammenarbeit mit Nicolas Chabot, dem Inhaber der Marke, hat nichts mehr mit dem retro grünen & zitrusfrischen Lederchypecharakter der Version von 2014 gemeinsam.

Die neue Version ist absolut an den aktuellen Zeitgeschmack angepasst. Die fruchtigen Facetten von Rhabarber & Blutorange vermischen sich mit den krautig grün hölzernen Noten von Geranium, Zeder, Zypresse, Kiefer, Sandelholz und Patchouli. Das ganze wird (leider) geflutet mit aquatischen Facetten und wahrscheinlich Ambroxan…und wenn ich ehrlich bin erinnert mich das ganze etwas an Männerumkleiden in Fitnessstudios…darf ich das schreiben Nicolas?

Nichtsdestotrotz wirkt der Duft besonnen und bedacht kreiert, und irgendwie habe ich das Gefühl ihn schon lange zu kennen. Milleniumstyle ist ja für die jüngere Zielgruppe immerhin auch schon retro.

Die anderen überarbeiteten Düfte sind:

Sortilège bleibt der wunderbar üppige Blumenaldehydduft, der mich in seiner Reichhaltigkeit noch mehr an Amouages Gold Woman & Man erinnert. Toll!

Vetyver wurde komplett überarbeitet und hat nichts mehr mit der Version von 2015 gemeinsam. Ich empfand diese Version immer etwas steif, ein krautig grünholziger Duft mit zitrischen Facetten. Stattdessen bekommen wir jetzt einen erdig dunklen Vetiver Duft, wo Vetiver all seine nussigen Facetten verströmen darf. Glücklicherweise wird der Duft nicht zu warm und schmeichelnd und bewahrt somit seine robuste Eleganz. Gelungen!

Sovereign war immer der rareste Duft aus dem Le Galion Portfolio. Die bisherige Version war ein üppig würziger Orientale mit viel rosa Pfeffer und der bekannten Kombination von Rose & Oud. Stattdessen bekommen wir jetzt einen schmeichelnd cremig weichen Holzduft, der auch ein paar fruchtige Facetten dabei hat. Ich kenne die Duftpyramide leider nicht, daher bin ich gespannt was angegeben ist…den muss ich mehr entdecken.

Whip konnte ich leider noch nicht testen, weil ich keine Probe habe. Ich bin gespannt was aus diesen intensiv gelb zitrusfrischen Duft mit seinen braunen Lederfacetten geworden ist, der mich immer an eine üppigere Version von Monsieur Balmain erinnert hat.

Nächste Woche bin ich wieder zum ersten Mal nach drei Jahren zur Esxence in Mailand…ich bin gespannt.

Review: Diptyque’s Orphéon zeigt wirklich Paris bei Nacht?

Als Inspirationsquelle zu Orphéon diente wohl die gleichnamige Nachtbar, die direkt an das Stammhaus Diptyque’s auf dem Boulevard Saint-Germain, zugegebenermaßen am weniger trubeligen unteren Ende dessen, angrenzte.

Orphéon soll uns nun in die Atmosphäre dieser seit langem nicht mehr existierenden Bar, dem wohl zweiten Wohnzimmer der drei Firmengründer, entführen. Und wenn dieser Duft tatsächlich an diese Bar erinnern soll, ist es kein Wunder, dass sie nicht mehr existiert.

Der Duft selbst ist relativ schnell beschrieben. Dem schon oft gerochenen fruchtig frischen Start (Johannisbeere als Reminiszenz an L’Ombre dans L’Eau?) folgt ein unschuldig floraler Hauch von Jasmin, hier von allen menschelnden Facetten nahezu unkenntlich gemacht, gerührt in einer Basis von zurückhaltendem Shampoomoschus, der immerhin leicht pudrige Kosmetikfacetten geschminkter Gesichter im Halbdunkel erkennen lässt….und luftig leichten Hölzern mit moderater Süße, die glücklicherweise nicht gezuckert wirken. Tonkabohne wird die natürlich cremige Süße beisteuern, während die trockene Zeder alles im Zaum hält, Wacholder bringt wohl die leichte Aromatik mit bei. Orphéon behält durchgehend eine eher unbeschwerte Klarheit, die immerhin langanhaltend ist.

Aber wo bitteschön ist jetzt das Pariser Nachtleben? Dieser Duft soll uns in eine Nachtbar zurückführen, in eine Nachtbar des hippen linken Seineufers, dem rive gauche in Paris…also in das Paris der Sechziger bis Achtziger Jahre. In die Zeit der sexuellen Befreiung, dem Paris des YSL, dem Paris des Karl Lagerfeld, der Sonia Rykiel, Sartre, Gréco, Gainsbourg, Hallyday etc, der Couture, dem Schick des Café de Flore, dem Deux Magots, den ersten großen Drogenerfahrungen, dem Paris des Weines, des Champagners…und am wichtigsten: dem rauchenden Paris!
Dieser Duft vermittelt leider das komplette Gegenteil, es ist Paris in Zeiten von Corona: Alle sind zu Hause, die Bar ist zu und keiner raucht mehr, die Klimaanlage funktioniert hervorragend und vegan gegessen wird eh schon lange.

Mir ist schon klar, dass nicht in jeder Nachtbar in Paris permanent ungezügeltes Leben gelebt wurde, aber bei Orphéon fehlt jegliche Leidenschaft. Nicht mal ein bis drei Funken Rauch dürfen in diesem Duft glimmen…damals haben doch alle überall permanent gequarzt was das Zeug hielt, vor allem die Franzosen mit ihren Gauloises und Gitanes. Auch der hier verwendete Jasmin ist leider frei von undesodorierten körperlichen eng an ang stehenden menschlichen Facetten am Abend, und dunkel (dunkel!) ist Orphéon gar nicht, hier scheint die 100 Watt Klarglasbirne.

Nicht falsch verstehen, der Duft ist ganz wunderbar unkompliziert und leicht tragbar, tendenziell wahrscheinlich eher feminin. Er ist sorgfältig komponiert, gut verblendet, wirkt hochwertig, ist gut haltbar und verfügt über genügend Abstrahlung. Liebhabern von Philosykos, Eau Rose oder Eau Mohéli könnte er gefallen, auch die Hermès Gärten oder die harmloseren Maison Dior Düfte kommen mir noch in den Sinn.
Wie man lesen konnte gefällt er mir nicht so, weil ich einfach das Thema komplett verfehlt finde…und den Duft halt leider auch eher langweilig. Aber als ein großer langjähriger Fan der Marke darf ich ja auch mal was nicht so toll finden.

Boom! Le Galion feiert 90. Geburtstag & lanciert neun neue Düfte!

In diesem Jahr feiert die Marke Le Galion ihr 90-jähriges Bestehen und überraschte mich wirklich gerade mit der aktuellen Ankündigung, insgesamt neun neue Düfte noch in den nächsten Monaten lancieren zu wollen:
90 Jahre, neun neue Düfte, neun Jahrzehnte.

Le Galion 2020

Als Le Galion in 2014 von Nicolas Chabot, dem heutigen Inhaber der Marke (er ist auch verantwortlich für die Marken Aether & Corps Volatils) wieder belebt wurde, war ich ziemlich schnell begeistert. Die Idee, die alten Düfte nach aktuellen EU Vorschriften und mit neuen Ideen in den Formeln zurückzubringen, gefiel mir sehr. Dazu ein schlicht elegantes Design, klassisch, zeitlos, irgendwie „couture“ & verhalten nobel ohne laut zu sein…da war zumindest mein Interesse sofort geweckt.
Man darf die Düfte ganz klar nicht mögen und auch mir gefallen nicht alle Düfte, aber einen Totalausfall findet man bei Le Galion m.E. bisher nicht. Es wird durchgehend Qualität geliefert, und das ganze zudem in einem akzeptablem Preisrahmen.

In den letzten Jahren hatte ich das Glück, dass ich Nicolas Chabot einige Male persönlich getroffen habe und ein Dialog mit ihm entstand. Ich hatte nun die wunderbare Möglichkeit, alle neuen Düfte vorab ausgiebig testen zu können. Hier nun gerne kurze Reviews zu den sechs wieder belebten und drei komplett neuen Düften:

Esquive: Ein zeitgemäßer und eleganter Wildlederduft mit kuschelig runden Kanten. Leicht animalischer Moschus gibt körperliche Wärme und rosa Pfeffer steuert eine moderne Frische bei. Anschmiegsam, eher maskulin & gelungen. Gefällt mir sehr.

Brumes: Ein modernes Chypre mit cremig floralen Tönen, feminin. Schlicht, elegant, ruhig & beruhigend. Der Name „Brumes“ für „Nebel/Hauch/Schleier“ ist trotzdem nicht genau getroffen…den muss ich noch mehr testen. Er erschließt sich mir noch nicht.

Jasmin: Rodrigo Flores-Roux kann solche Düfte sehr gut. Üppig florale Weißblüher mit herrlich benzinartig indolischen Facetten, die durch Patchouli und Moos ganz wunderbar die erwachsene Chyprestruktur ohne Süße klar erkennen lassen. Die vintage Falle wird vermieden…retro ja klar. Würde ich auch tragen.

Chypre: Kühl, grün, herb, fast bitter und scharf. Das ganze wird durch einige wenig indolische Weißblüher abgemildert und bleibt aber dank der Moschushölzer gerade und reserviert. Für mich als Liebhaber der Siebziger Jahre Düfte großes Kino und eindeutig eine zeitgemäße Hommage an das erste Scherrer von 1979. Auch hier: Retro, nicht vintage! Mein persönliches Highlight.

Lily of the Valley: Wunderbar, der Frühling ist da…ganz klar. Ein kühles Blütengrün mit seifigen retro Facetten und etwas Moschus. Dank der Abwesenheit von Zucker bleibt der Duft gerade und ist für mich wesentlich spannender als der jährliche Guerlain, der mir zu weich ist. Ziemlich unisex.

Tilleul: Die Silberlinde stand hier Pate und auch hier gibt es einen weiteren grünen Duft im Le Galion Sortiment, der die spitz grüne Lindenfacetten mit wachsartigen Honignoten, etwas weichem Moschus und leichter Süße gekonnt mildert und in die Moderne führt. Nicolas sagt, dass das sein erster echter süßer Duft bei Le Galion sei.

Tulipe: Und nochmal grün: Aber bitter kantig, scharf, metallisch, kühl, modern & edgy. Der wohl ungewöhnlichste Le Galion bisher. Als würden der Pflanzensaft direkt gerade aus den frisch geschnittenen Tulpen rinnen…hat trotzdem was von comme des garcons und Diptyque. Nicolas liebt ihn. Sehr cool.

Champs de Mai: Ich sagte ja, das ich nicht alle Düfte der Marke mag…hier ist einer. Sprizig junge Rosenblüten erfrischen sich in Shampoomoschus. Der Le Galion Duft für jüngere Kundinnen. Könnte aber ein Hit werden.

Bourrasque: Zum Schluss der üppige Orient. Einst lag Bourrasque nahe an Femme de Rochas. Jetzt treffen hier üppige Rosen – und Osmanthusblüten auf orientalische Gewürze und landen als Chypre auf erdigem Patchoulimoos mit leicht animalischen Moschushölzern. Ein großes Retrokino im klassisch eleganten Stil für leidenschaftliche Abende.

Auch hier trifft Le Galion wieder mein Geschmack und enttäuscht vor allem qualitativ nicht…okay, Champs de Mai… Ich persönlich habe drei Highlights: Esquive, Chypre & Jasmin….und einige andere würde ich auch locker gerne tragen würden. Obwohl die Düfte klassisch sind, hat sich der Stil der Düfte insgesamt etwas verjüngt, verschlankt und führt mich gedanklich fast etwas in Richtung Diptyque (darf man das sagen?!)…was auch an den neuen dazu erscheinenden Visuals liegen mag.

Anbei findet ihr auch zwei Fotos mit den offiziellen Beschreibungen von der Marke selbst.Le Galion 2020 2

Le Galion 2020 3
Und für den wunderbaren gerillten 100 ml Flakon wird es zukünftig weiße Papieretiketten geben. Auch die 50 ml Größen und die praktischen und aufschraubbaren (und damit nachfüllbaren) 10 ml Zerstäuber bleiben weiterhin im Sortimen.

Das klingt doch schonmal gut. So, und darauf jetzt nen Schampus…